Schule und Beruf
Nach meiner schweren Erkrankung zu Pfingsten 1970 konnte ich längere Zeit keine Schule für Normalsehende besuchen, so versuchten meine Eltern mich mit der Blindenschule in Wien vertraut zu machen. Bereits nach wenigen Wochen bat der Direktor meine Eltern, mich wieder mit nach Hause zu nehmen, da ich mit meinem veränderten Leben noch nicht zurecht gekommen war. Es bedeutete für meine Seele zu viel Stress.

Unser Weg führte infolge dessen bis zum Stadtschulrat, der dann endlich die Erlaubnis erteilte, dass ich in die heimatliche Volksschule gehen durfte. Ich holte die erste und zweite Klasse zu Hause mit Privatunterricht (von Frau Lehrer Kirner) nach und stieg anschließend in der dritten Klasse wieder ein. Der Direktor zeigte viel Verständnis für meine Lage. So durfte ich bei meiner Familie bleiben und trotzdem die Schule besuchen. Mit meiner Gesundheit war es nie besonders gut bestellt und so musste ich immer wieder operiert werden. In der Grazer Augenklinik sagte man meinen Eltern schließlich die traurige Wahrheit. Ich würde blind bleiben und es gab in Österreich keine Möglichkeit mehr mir zu helfen. Für meine Eltern war das sicher eine niederschmetternde Nachricht.

Während meiner Pflichtschulzeit sammelte ich viele wertvolle Erlebnisse für meine Zukunft. Die Lehrkräfte gaben sich große Mühe mit mir. Ich legte meine Bücher immer auf meinen Platz und tat als wolle ich mit lesen. Manchmal wurde ich sogar aufgefordert, dies zu tun. Wenn ich könnte, würde ich das liebend gerne tun, lautete dann meine Antwort. In der Hauptschule wurde Johanna W. - ein ruhiges,sehr hilfsbereites Mädchen mit langen schwarzen Haaren - meine beste Freundin. Wir verstanden uns gut und ich bin heute noch dankbar, dass sie mir durch diese Jahre eine große Hilfe war. Leider verloren wir uns mit den Jahren aus den Augen. Ich hab sie nie vergessen und sie behält einen Platz in meinem Herzen.

Ich erfuhr auch die harte Seite der Kinder. Sie können wahrhaftig sehr grausam sein. Abgesehen von so manchen Bezeichnungen meiner Person: Brillenschlange, Blindschleiche, blindes Huhn, häßliche Ente usw... Es gab natürlich auch Situationen wie; mir meine Hausschuhe, die Jacke, meine Schulsachen.... verstecken! Ich lernte mich durchsetzen und auf meine Beine stellen. Mein Lieblingsgegenstand war Leibesübung und da Geräteturnen. Ich ließ mich nicht immer auf die Seite drängen. Ich durfte, durch die Unterstützung von Johanna, bei den Ausflügen mitfahren. Damals gab es dieses moderne Wort "Integration" noch nicht. Ich hatte auch keinen eigenen "Stützlehrer" zur Verfügung.

1980 beendete ich die Pflichtschule mit einem Vorzugszeugnis. Es gab in meinem Zeugnis ein "Befriedigend" und das stand in Mathematik. Meine einzige Schwierigkeit in diesem Fach war, dass ich mir die Aufgabenstellung bei den Schularbeiten in Mengenlehre nicht auswendig merken konnte. Da spielte mein "kleiner Speicher" im Kopf nicht mir. Ich versuchte mittels Nachhilfeunterricht Abhilfe zu schaffen. Es gelang mir nicht. Es lag einfach nur an den dreierlei Klammern,.. In den Grundrechnungsarten war ich schneller mit dem Kopfrechnen wie meine Mitschüler mit ihren Taschenrechnern.

Nach der Grundschule besuchten wir mal das Arbeitsamt. Ich legte einen "Eignungstest" ab und trotz meines tollen Ergebnisses war meine Blindheit bezüglich einer Vermittlung mein Handicap. Es folgte der zweite Versuch, mich mit der Blindenschule vertraut zu machen. Ich besuchte vorerst einmal die einjährige Umschulung und erlernte in dieser Zeit die Blindenschrift. Anschließend folgte die Ausbildung zum Betriebstelefonisten. Gleich zu Beginn dieses Schuljahres stand wieder eine Operation in Rom auf dem Programm. Nach meiner Rückkehr waren die Schüler bereits weit mit dem Lernstoff vorangekommen. Ich wollte unbedingt aufholen! Durch diesen Ehrgeiz hervorgerufen, begannen aber meine Handgelenke zu streiken. (Spätfolge der Erkrankung!) Meine Gelenksflüssigkeit bildet sich auch heute noch nur sehr langsam nach. (gelegentlich trage ich beide Handgelenke geschient) Da ich nun meine Texte nicht mehr schreiben konnte, war es mir auch nicht möglich, die Telefonistenausbildung am Bundes-Blindenerziehungsinstitut fertig zu machen. Mir wurde nahegelegt, dieses Schuljahr abzubrechen. Heute bin ich trotz allem äußerst dankbar, dass ich erfahren habe, welche Erleichterungen es für Beruf und Alltag von blinden und sehbehinderten Menschen gibt. Ich bin nicht unbedingt ein Befürworter der Integration, meine ganz persönliche Meinung da zu ist: Mit der Integration von blinden und sehbehinderten Menschen in den allgemeinen-und höheren Schulen, gehen so viele wichtige und spezifische Informationen für Behinderte unter! Und wenn die "normalen Schulen" am Ende ihrer Weisheit angelangt sind, müssen doch spezifische Institutionen konsultiert werden!

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