Schließlich traten meine Eltern mit mir die lange Reise ins Ungewisse an. Wir schöpften neue Hoffnung, wurden aber gleichzeitig um viel Geduld gebeten. Wir verstanden die italienische Sprache nicht und schon gar nicht konnten wir sie sprechen Was wir allerdings nicht wussten war, dass unser Pfarrer Hr. Denk einen Brief an eine deutschsprachige Klosterschwester in Rom geschrieben hatte. Frau Weninger - eine Ordensfrau aus Feistritz – war in Rom Oberin eines Ordens.
Als wir im öffentlichnen Krankenhaus auf Professor Strampelli warteten, sprach uns eine Klosterschwester auf deutsch an und fragte, ob Mama die Frau Piribauer sei. Mama nickte und so fanden wir unseren Weg in der fremden Stadt. An diesem Tag durften wir ins Kloster nach Grottaferrata mitfahren und dort übernachten. Professor Strampelli untersuchte meine Augen sehr genau und gab uns in seiner Sprache zu verstehen, dass mir eventuell geholfen werden kann, sich aber die Behandlung über Jahre ziehen wird.
Professor Strampelli benötigte für seine Osteo-Odonto-Keratoprothese meinen Augenzahn. Leider war das Wachstum meiner Zähne durch die schwere Krankheit stark gebremst. Strampelli transplantierte Mundschleimhaut auf das Auge und unter die Lider. Somit nahm er mir ein Vielfaches an Schmerzen.
Im Zeitraum von 1972 bis 1985 folgten sechs Augenoperationen rechts, dazwischen waren viele Kontrollen in Rom erforderlich. Es entstanden hohe Spitals– und Operationskosten, die sich meine Eltern unmöglich leisten konnten.
Spendenaufrufe wurden gestartet, Zeitungsberichte veröffentlicht und die „unglaubliche“ Geschichte der kleinen Andrea ging weit über unser Dorf hinaus. Irgendwie schafften es meine Eltern immer wieder, die erforderlichen Geldbeträge für die Eingriffe aufzubringen. Wofür ich nicht nur ihnen aus tiefstem Herzen danken möchte - sondern auch allen Spendern die mir/uns in dieser schweren Zeit - geholfen haben
Im Oktober 1981 waren Mama und ich abermals in Rom. Wir waren der Meinung, dies ist die letzte, entscheidende Operation. Zur gleichen Zeit war ein deutscher Patient in der Klinik und klärte uns einen Tag vor der Operation auf. Jetzt kommt erst einmal die Transplantation des Augenzahnes unter das rechte Augenlied. Dort muss der Teil des Zahns und Kieferknochens mindestens 3 Monate liegen um die Verträglichkeit dieses Implantates für das Auge zu testen. Ich mochte diesem Patienten nicht glauben und meine innere Verzweiflung war einfach unbeschreiblich. An diesem Tag kam noch Schwester Norbertine bei mir vorbei. Eine Frau, voller Warmherzigkeit und Liebe. Sie setzte sich an mein Bett und erzälte mir die Geschichte vom VERGISSMEINNICHT! Als sie am Ende ihrer Erzählung angelangt war, hatte ich wieder ein wenig Mut gefasst. Meine Mutter verbrachte keine leichte Zeit an meiner Seite.
Am 13.03.1982 kam der Tag meiner "Hauptoperation", darum war ich sehr aufgeregt. Mama stand mir mit all ihrer Liebe und Kraft stets zur Seite und war einfach bei mir. Wir wussten, dass dieser Eingriff viele Stunden in Anspruch nehmen würde. Erst am 15.03. wurde der Augendruckverband entfernt. Ganz vorsichtig – es befand sich nur eine kleine Lampe im Zimmer - wurde das Auge geöffnet! Der Lichtstrahl bohrte sich schmerzhaft, wie ein spitzer Gegenstand in meinen Kopf. Unglaublich - ich konnte ganz klar und deutlich - zwei Finger des Professors erkennen. Sofort wurde der Verband erneuert.
Ich musste exakt 10 Tage - ohne jede Kopfbewegung - im Bett ausharren. In dieser Zeit erhielt ich viele Injektionen. Darunter befanden sich sehr schmerzhafte Vitaminspritzen.
Seit diesem Zeitpunkt darf ich mich eines sehr guten Sehvermögen (Blickfeld von 4° im Zentrum) erfreuen. Ich lebe täglich mit einer großen Dankbarkeit in meinem Herzen. Ich gehe behutsam mit diesem Schatz um und riskiere nichts.